VON SILKE HEIDENBLUT
Wer regelmäßig durch Freisenbruch fährt, ist gespannt, wie die Verkehrsführung diesmal ist. Sie ist jedes Mal anders. Ein Fortkommen beim Projekt Einkaufszentrum ist allerdings nicht zu erkennen – und das nach beinahe fünf Jahren. Da darf die Frage erlaubt sein: Wie geht es den Anwohnern?
Sabine Hegemann, die seit über 50 Jahren in Freisenbruch lebt, fasst das kurz und deutlich zusammen: „Wir fühlen uns im Stich gelassen und abgehängt!“ Am Schlimmsten sei der Lärm, sagt sie. „Die Bochumer Landstraße, an der ich wohne, wurde inzwischen dreimal aufgerissen. Neben dem ständigen Lärm nervt der Dreck! Überall ist grau-schwarzer Staub, den wir auch einatmen.“
Vor dem Beginn der Bauarbeiten gab es eine große Bürgerversammlung. „Da waren wirklich viele Bürger, die sich informieren wollten und sich sogar gefreut haben, dass mit diesem Projekt wieder Infrastruktur zurück nach Freisenbruch kommt. Einige haben allerdings damals schon gemahnt, dass das Gebiet mit Schächten durchzogen sein könnte “, erinnert sich die 66-Jährige, die selbst vor Ort war.
„Inzwischen glaubt hier eigentlich niemand mehr daran, dass er es noch erlebt, dass da ein Einkaufszentrum steht.“Die Mahner behielten recht: Die Baustelle ist im fünften Jahr und es wurden viele Schächte gefunden, die verfüllt werden mussten. „Allein unter unserem Haus wurde ein 30×10-Meter-Loch verfüllt. Inzwischen hat das Haus 100 Risse, die vorher nicht da waren.“ Die Häuserzeile, die für das Einkaufszentrum abgerissen werden soll, steht immer noch.
„Soweit ich weiß, wird dort und auf dem Gelände, wo früher der Gebrauchtwarenhandel war, derzeit sondiert, ob dort auch noch Schächte zu verfüllen sind“, erzählt Sabine Hegemann, die regelmäßig mit den vier Bauarbeitern, die an der Mega-Baustelle im Einsatz sind, spricht.
„Wer glaubt, dass dort nichts gefunden wird?“, fragt sie. In Freisenbruch ist niemand mehr optimistisch.
Statt Nahversorgungszentrum Baustelle ohne Ende
„Die Verkehrslage ist eine Katastrophe, ist auf der A40 Stau, dann geht hier im Ort nichts mehr. Es ist regelrecht gefährlich: Die Kinder, die zur Grundschule wollen, können kaum die Rodenseelstraße überqueren, weil kein Autofahrer an der Verkehrsinsel noch hält. Und die Bochumer Landstraße zu überqueren wird zum Abenteuer. Einmal habe ich eine alte Dame mit Rollator weinend vorgefunden, weil sie nicht wusste, wie sie über die Straße kommen soll. Das kann doch nicht richtig sein.“
Genauso wie die Bushaltestelle, die verlegt werden musste: Statt sie an eine gut zugängliche Stelle zu platzieren, müssen alle, die einsteigen wollen, jetzt über eine Wiese gehen – eine oft matschige Angelegenheit und mit Rollator eigentlich undurchführbar…
Dass bei solchen Baustellen Stromleitungen gekappt werden, so dass die ganze Nachbarschaft ohne Strom auskommen muss, das erwähnt Sabine Hegemann kaum noch. „Die Lebensqualität ist enorm eingeschränkt. Unseren Garten nutzen wir nicht mehr, weil man Lärm und Dreck nicht aushalten kann. Das ist schrecklich.“
Und es ist kein Ende in Sicht. „Seit der Bürgerversammlung habe ich hier auch kaum noch einen Politiker, der für unseren Bezirk zuständig ist, gesehen. Mir fehlt inzwischen der Elan, mich der Vermüllung und Verwahrlosung, die mit der Baustelle einhergeht, entgegenzustellen.“
Auch städtischerseits scheint sich niemand für das Schicksal der Anwohner ganz im Süd-Osten der Stadt zu interessieren.
„Eine Bürgerversammlung, die uns auf den neuesten Stand bringt, würde bestimmt gut angenommen“, meint Sabine Hegemann. Sie glaubt nicht daran, dass es eine gibt. Dabei hätte die Anwohnerschaft dort eigentlich viel mehr verdient für die bislang gezeigte Geduld.