
Seit beinah zwei Jahren bestimmen Corona und die Pandemie das Leben der Menschen rund um den Globus. Eines der wichtigsten Mittel im Kampf gegen das Virus ist die Impfung – möglichst viele Bevölkerungsgruppen davon zu überzeugen, ist allerdings keine leichte Aufgabe.
Eine Frage beschäftigte in den vergangenen Wochen Medien und Menschen gleichermaßen: Ist die Impfbereitschaft bei Menschen mit Migrationshintergrund geringer? Und wenn ja, warum? Wir haben nachgefragt bei einem, der schon von Berufs wegen viel Kontakt zu Menschen aus verschiedensten Ländern hat – Yasar Aksen, Seniorenbeauftragter beim ASB Seniorenzentrum 60plus an der Krayer Straße. Er hat in den vergangenen Jahren unter anderem das Projekt „SamikÖ“ zur interkulturellen Öffnung des Arbeiter-Samariter-Bundes maßgeblich begleitet und das Café Samowar mit einer Seniorengruppe türkischer Frauen ins Leben gerufen.
Der 58-jährige kam als Achtjähriger mit seiner Familie aus der Türkei nach Deutschland und kann sich daher gut in die Situation vieler Menschen mit Migrationshintergrund hineinfühlen. Er stellt direkt zu Beginn unseres Gespräches fest: „Eigentlich ist es ja schwierig von ‚den Migranten‘ zu sprechen. Immerhin handelt es sich um eine Gruppe von Menschen mit extrem unterschiedlicher Herkunft, Kultur, Tradition und unterschiedlichem Bildungsstand. Hier in Essen haben wir beispielsweise Menschen aus Bulgarien, Rumänien, Russland, Griechenland, Polen, Italien Syrien oder der Türkei – von ‚den Migranten‘ zu sprechen kann ja nicht passen.“ Ob es denn aus seiner Sicht stimmen könnte, dass Menschen mit ausländischen Wurzeln sich weniger impfen lassen würden? „Das weiß ich natürlich nicht! Ich denke, dass es hier genauso skeptische Menschen gibt wie aufgeschlossene. Vieles wird noch im Kreis der Familie oder Großfamilie besprochen und auch entschieden. Aus meiner Erfahrung kann ich aber sagen, dass wir diese Personengruppe nicht auf herkömmlich Art erreichen. Große Anzeigen in Zeitungen oder Werbespots greifen nicht gut! Das kann mehrere Gründe haben. Einerseits gibt es oft ein Sprachproblem (Zeitungen und deutsches Fernsehen fallen dadurch aus). Auch von Flyern in der jeweiligen Muttersprache, die man an öffentlichen Stellen auslegt , halte ich nicht viel. Das habe ich tatsächlich selbst in der Vergangenheit ausprobiert und nicht viel erreicht! Wenn man was ändern möchte, muss man die klassischen Treffpunkte aufsuchen – das heißt die Kaffeehäuser oder die Moscheen zum Beispiel. Das sind gute Multiplikatoren aus meiner Sicht – hingehen und sprechen. Und so komisch sich das auch anhört – in vielen Gruppierungen kommt es auch sehr darauf an, wer einen informiert. Ein Arzt, ein Apotheker oder auch der Imam gelten als Respektsperson – eine gewissen Seriosität wird vorausgesetzt – diese Tatsache kann man nutzen.Unter dem Aspekt finde ich es auch sehr gut, dass jetzt in einigen Apotheken geimpft wird – ganz unbürokratisch!“
Und einen weiteren Aspekt spricht Yasar Aksen an: „Die Sorge, in einem Impfzentrum schlicht etwas nicht richtig zu verstehen, wenn man angesprochen wird… oder überhaupt schon beim Ausfüllen der Formulare etwas falsch zu machen… das ist vielen unangenehm. Vielleicht könnte man auch hier durch gezielte Unterstützung etwas erreichen. Wie gesagt – das Impfen in Apotheken finde ich sehr gut. Apotheken sind bei den meisten Migranten auch aus den Heimatländern bekannt – da entstehen keine Hemmungen und das Vertrauen ist da!“
Einen weiteren Punkte hält Yasar Aksen außerdem für wichtig: „Man darf nicht vergessen, dass bei vielen Menschen Ängste eine große Rolle spielen. Und hier meine ich nicht vor der Impfung! Ängste wegen eines ungeklärten Aufenthaltsstatus, wegen der fehlenden Arbeitserlaubnis oder Krankenversicherung. Damit bleibt man lieber unauffällig. Eine schwierige Situation – die sicherlich keine einfache Lösung in Sicht.“